Was ist bloss bei der Migros los?
Shownotes
Die Migros ist eine traditionsreiche Institution in der Schweiz - sie ist nicht nur die grösste Arbeitgeberin des Landes und prägt unser Konsumverhalten: täglich gehen dort hunderttausende Menschen einkaufen. Bald wird die Migros zudem 100 Jahre alt. Derweil gibt der Detailhändler ständig zu reden - wegen Umbau, Job-Abbau und vielen anderen Veränderungen. Was sind die Folgen für die Schweiz? Was heisst das für uns Kundinnen und Kunden sowie die vielen Mitarbeitenden der Migros? Darüber spricht Podcast-Host Tim Höfinghoff mit den Wirtschaftsjournalisten Andreas Güntert und Ulrich Rotzinger im Podcast Handelszeitung Insights.
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Tim Höfinghoff: Die Migros ist eine traditionsreiche Institution in der Schweiz. Sie ist nicht nur die größte Arbeitgeberin des Landes und prägt zudem unser Konsumverhalten. Denn täglich gehen dort hunderttausende Menschen einkaufen. Bald wird die Migros auch 100 Jahre alt. Derweil gibt der Detailhändler aber viel zu reden, wegen Umbau, Jobabbau und vielen anderen Veränderungen. Was sind die Folgen für die Schweiz und was heißt das eigentlich für uns als Kundinnen und Kunden und die vielen Mitarbeitenden in der Migros? Darüber spreche ich mit den beiden Wirtschaftsjournalisten Andreas Günthert und Ulrich Rotzinger. Mein Name ist Tim Höfinghoff und ihr hat Handel Zeitung Insights. Hallo Uli, hallo Andreas. Hallo. Was ist denn eigentlich los bei der Migros? Kaum ein Tag vergeht ohne Nachrichten zu Abbau oder Umbau. Was läuft da beim Orangenriesen, Andreas?
Andreas Güntert: Du hast recht, Tim, es ist extrem viel los in diesem Jahr. Ich beobachte die Migros seit 1995 und in bald 30 Jahren habe ich noch nie so viel Abbau und Umbau gesehen wie in diesem Jahr. Wie siehst du das, Uli?
Ulrich Rotzinger: Hey, 30 Jahre. Ich bin erst 20 Jahre im Wirtschaftsjournalismus. Da
Andreas Güntert: sieht man, was ich für ein alter Knackerl
Ulrich Rotzinger: bin. Aber ich muss schon auch sagen, so etwas, was bei der Migros gerade abgeht, mit dem ganzen Umbau, das habe ich im Schweizer Data-Handel noch nie gesehen.
Andreas Güntert: Es kommt noch etwas dazu. Tim sagte, die Migros stehe an einem sehr speziellen Punkt ihrer Firmengeschichte. Was ist das für ein Punkt? Das Unternehmen wird nächstes Jahr 100 Jahre alt. Das wird riesig gefeiert werden. Nur schon das zeigt, was die Dimensionen sind, wenn wir von Migros sprechen. Nächstes Jahr im August, an zwei Tagen, sollen je 30'000 Migros-Angestellte zu einem Fest im Kanton Glarus anreisen, gleich im Anschluss ans eidgenössische Schwing- und Alplerfest. Also
Tim Höfinghoff: eine Riesenparty ist da. Schwinger, Elblein, Ehren. Aber was passiert da jetzt genau im 99. Jahr der Migros? Man hat von aussen den Eindruck, dass dieser orange Riese vor seinem grossen Jubiläum jetzt noch viel abarbeiten will und noch viel erledigen muss? Oder täuscht mich dieser Eindruck?
Andreas Güntert: Ich sehe es auch so. Die wollen im verfliexten 99. Jahr noch möglichst viel von dem erledigen, was sie sich jetzt vorgenommen haben. Anfang Jahr. Die grossen Brocken sind dabei sicher die Verkäufe von Firmen, die lange zur Migros gehört haben, etwa Fachmärkte wie Melectronics, Sportics, Bikeworld. Aber auch die reisesparte Hotelplan Group, die Industrietochter Mibel, wo das sehr bekannte Geschirrspülmittel Handy herkommt. Dazu gab es zu Beginn des Jahres noch die Ankündigung, dass 1'500 Stellen abgebaut werden sollen.
Tim Höfinghoff: Ja, also die Migros war ja immer, du hast ja erwähnt, was alles dazu gehört zu diesem Konzern. Wirkte auf mich immer wie ein stabiles, erfolgreiches Unternehmen. Hat sich das jetzt geändert, oder wie schätzt du das ein? Vielleicht war sie zu lange
Andreas Güntert: zu erfolgreich und ist dadurch ein bisschen lahm geworden. Zu lahm, wie meinst du das? Kannst du das auswählen? Der grosse Umbau hat mit Veränderungen in den letzten Jahren und mit einer grossen aktuellen Personalie zu tun. Zum einen hat die Migros im Frühling 2023 Mario Irminger zum neuen Chef gemacht. Das ist der langjährige Chef des Discounters Denner, der ja auch zur Migros gehört. Neue Chefs. neigen natürlich oft dazu, den Laden aufzuräumen. Irminger sieht dazu einen grossen Grund. Die Migros hat in ihrem Kerngeschäft, den Supermärkten, Marktanteile verloren. Also will er sich auf Verbesserungen bei den Supermärkten konzentrieren und sich von denjenigen Geschäften trennen, die nicht mehr zum Kern der Migros gehören. Also ganz schön was los da bei denen. Genau, es ist eben so, dass die Migros mit vielen Business-Einheiten zuletzt viel Geld verbrannt hat. Wenn du dir die Gewinnsituation der Migros anschaust, kommt die Hälfte des Gewinns nur von einem einzigen Ort, von der Migros-Bank. Das ist einfach gefährlich. Wenn die Bank stottern sollte, fällt die wichtigste Gewinnquelle
Tim Höfinghoff: weg. Uli, wie siehst du das? Neuer Chef, viel Umbau. Was ist dein Take?
Ulrich Rotzinger: Ich sehe es wieder, Andreas, wenn man nur von der Migros Bank abhängig ist beim Gewinn, dann kann man das schon fast als Klumpenrisiko bezeichnen. Da muss einfach die Migros über die Bücher und das ist jetzt die Zeit dafür.
Tim Höfinghoff: Andreas, die Migros ist eine Genossenschaft. Da kann man sich ja fragen, müssen die überhaupt
Andreas Güntert: Gewinn machen? Das ist eine gute Frage. Klar, die Migros ist nicht wie eine NVIDIA, die jedes Quartal die Analysten glücklich machen muss, ist nicht börsenkotiert, muss keine hungrigen Aktionäre mit Dividenden versorgen. Aber auch eine Migros braucht natürlich Gewinn. Sie muss ihre Investitionen finanzieren, in neue Läden, bessere Prozesse, neue Talente anlocken. Also im Moment viele Investitionen auch in tiefere Preise, da kommen wir noch dazu. Um dieses Geld rechtzeitig parat zu haben, baut jetzt die Migros vieles von dem ab, was links und rechts vom Supermarkt über die letzten Jahre hinzugekommen ist. Wenn wir von
Tim Höfinghoff: Um- oder Abbau sprechen, da ist ja eine ganze Menge gerade auch schon passiert. Lass uns das mal genauer anschauen. Es gibt ja viele Marken, die bekannt sind. SportX, Bikeworld, Melectronics, die werden da jetzt abgestoßen. Warum ist das so, Uli? Sind die nicht mehr rentabel oder woran liegt es, dass die abgestoßen werden?
Ulrich Rotzinger: Tim, es ist eigentlich ganz einfach. Heimelektronik, Sportartikel, aber auch Velos, diese Geschäfte, die sind einem enormen Wettbewerb ausgesetzt. Kommt hinzu, Kopfhörer, TVs oder die neuen Tracking-Klamotten kannst du easy im Internet bestellen. Und das nicht nur bei der Migros. Also wer nicht Nummer eins im Markt ist und die Migros war und ist in diesen Bereichen nicht die Nummer eins, der muss so viel investieren, so viel Geld in die Hand nehmen, um da vorne zu sein. Also die Migros kann das nicht, das Geld ist nicht da, also muss die Migros handeln und diese Formate abstoßen.
Tim Höfinghoff: Wenn man sich anschaut, wer alles noch zur Migros gehört, Baumärkte, Mikasa, Möbelhäuser sollen auch verkauft werden. Warum hat es die Migros nicht geschafft, in diesen Segmenten erfolgreich zu sein? Sind das ähnliche Argumente wie in anderen Bereichen, bei den Bikes und beim Sport?
Ulrich Rotzinger: Genau, es ist genau auch hier so. Migros ist nicht Marktführer, sie hat über die letzten Jahre, Jahrzehnte einfach auch diese Geschäfte betreiben wollen, aber es nicht geschafft hat, Nummer eins zu sein, damit es richtig läuft. Und auch wir wissen, Corona-Pandemie ist zu Ende. Die Leute gehen nicht mehr so oft in den Baumarkt. Möbel ja, auch nicht mehr so. Wird im Internet bestellt viel. Also hier auf die Konkurrenz aufzuholen, wenn keine Gewinne rausschauen, dann bleibt nur ein, der Cut.
Tim Höfinghoff: Aber was ich nicht ganz verstehe ist, die Migros sagt ja, dass das Geschäft mit solchen Fachmärkten auch deshalb aussichtslos sei, weil es eben schwierig sei mit großen internationalen oder europaweit agierenden Anbietern wie Ikea oder Decathlon mitzuhalten. Aber wenn man sich jetzt Konkurrenten der Mikro anschaut, wie Coop beispielsweise, die haben ja auch Interdiscount oder die haben doch auch Möbelanbieter oder ist das Jumbo Good glaube ich auch zu denen, auch recht große Läden und die wollen das, soweit ich informiert bin, nicht verkaufen. Also kann Coop das irgendwie besser als die Mikro oder warum hat sich Mikro entschlossen, das eben dann abzustoßen?
Ulrich Rotzinger: Die führen die Geschäfte weiter, das ist richtig. Der Coop-Chef hat mir auch gesagt, er hat kein Interesse an den Läden, die die Migros jetzt verkauft. Aber bei Coop ist es anders. Es ist natürlich kein Selbstläufer. Die Geschäfte müssen auch bewirtschaftet werden und es muss was gehen. Aber die Basler haben den entscheidenden Vorteil. Sie haben diese Formate alle unter eine schlanke Leitung gestellt und das schon sehr früh. Und jetzt schaut man sich die Migros an mit ihren zehn regionalen Genossenschaften. Da sind schnelle Entscheide, Reaktionen, Reaktionen auf die Konkurrenz, auf Preisoffensiven, das ist nicht so schnell möglich. Und da hat Coop den Vorteil.
Tim Höfinghoff: Wir sind hier im Wirtschaftspodcast, das mache ich immer ganz gerne. Ich frage immer, wie sieht denn so der Markt aus? Also Coop, Migros, Aldi, Lidl, alle tummeln sich da in der kleinen Schweiz. Wer ist denn eigentlich so der größte Detailhändler im Land? Also wer hat jetzt die meisten Filialen? Wer macht da den meisten Gewinn oder Umsatz? Also Andreas, erzähl du mal, du hast die Übersicht, oder? Wer hat die schönsten, grössten und meisten Supermärkte in der Schweiz?
Andreas Güntert: Es kommt immer darauf an, wie du es anschaust. Wenn wir beide Firmen, beide Giganten anschauen, Coop und Migros, dann wirst du sehen, dass wenn du eine Umsatzzahl nimmst, dann ist Coop mittlerweile grösser als Migros. Das hängt vor allem deshalb ab, weil Die Coop hat ein internationales Grosshandelsgeschäft, namens Transkourmet gehen wir jetzt nicht gross darauf ein, aber wenn wir die Topline beider Firmen anschauen, dann ist Coop grösser. Schauen wir nur die Schweiz an und schauen wir nur dieses Kerngeschäft an, den Detailhandel, dann ist jetzt die Migros grösser. noch grösser. Ich glaube, Uli, du hast dir mal noch die Zahl der Läden genauer angeschaut. Coop ist traditionell die Firma, die kleinere Läden hat und mehr Läden. Die Migros hat grössere Supermärkte, dafür weniger. Da sind wir auf dem neuesten Stand.
Ulrich Rotzinger: Ja, das ist der neueste Stand. Coop ist näher bei den Kunden, hat die Läden noch deutlich näher als die Migros in den Quartieren. Ich glaube, Coop Im Supermarktgeschäft sind sie bei ungefähr 950 Verkaufsstellen, die Migros im Moment noch bei 600, 650. Sie hat verschlafen in die Quartiere näher zu den Leuten zu gehen. Also GOB ist da näher dran. Was ich aber noch sagen möchte ist, du hast vorher von der größten Arbeitgeberin der Migros gesprochen, wenn die Migros ihren Umbau fertig hat, wenn die Formate verkauft sind, dann wird Migros ungefähr bei 90.000 Mitarbeitenden landen. Coop hat dann ungefähr immer noch 96.000, wenn da nichts passiert. Also dann muss man von Coop, der größten Schweizer privaten Arbeitgeberin, sprechen.
Tim Höfinghoff: Ja. Was ich noch interessant finde, sind ja die Aldis und Lidls dieser Welt, die jetzt da aus Deutschland kamen, ich weiß nicht, wann die in die Schweiz gekommen sind, und haben hier kräftig Druck gemacht. Mittlerweile schämt sich ja, glaube ich, keiner mehr der Schweizerinnen und Schweizer mehr, wenn er auch bei Lidl und Aldi einkauft. Aber sind die in einem ähnlichen Dimensionen hier angetreten oder haben die nur ein Handvoll von Filialen, weil man sieht es ja immer häufiger.
Ulrich Rotzinger: Ja, ich glaube, wir kommen nachher auch noch später dazu, aber ich würde sagen, die sind jetzt, Aldi ist glaube ich zwei Jahrzehnte jetzt im Markt und die haben auch klein angefangen, aber die kommen beide zusammen heute auf ungefähr 420 Läden, Discountläden in der ganzen Schweiz, also sie sind gut verteilt. Jetzt um da einen Vergleich zu haben, wenn man denner und die denner Partner auf dem Land dazuzählt, dann kommt die Migros-Tochter, die Scount-Tochter auf ca. 800, 850 Läden. Also die haben immer noch doppelt so viel wie die beiden Discounter in der Schweiz.
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Tim Höfinghoff: Uli, jetzt hast du gerade schon was Wichtiges angesprochen, nämlich die Mitarbeitenden und wer jetzt der größte oder eben weniger größte Arbeitgeber oder Arbeitgeberin im Lande ist. Der ganze Abbau, den wir jetzt gesehen haben, da wurden ja hunderte Menschen jetzt dann entlassen bei der Migros. Riskiert die Migros damit nicht auch, dass die Beliebtheit und die Reputation sinkt?
Ulrich Rotzinger: Ich glaub eigentlich nicht, ehrlich gesagt. Es kommt zwar jetzt alles auf einmal. Die Konsumentinnen und Konsumenten, würde ich jetzt mal unterstellen, vergessen das aber relativ schnell. Und nächstes Jahr ist das Jubiläumsjahr, dann hört man wahrscheinlich durch die Marketingtrompete nur noch positive Sachen, was natürlich die Reputation dann auch wieder beeinflusst. Wir dürfen auch nicht vergessen, die Migros ist immer noch ein Top-Brand in der Schweiz. Marketingleute sprechen von Love-Brand. Also von daher denke ich, so schnell verliert die Migros nicht an Reputation. Kommt natürlich darauf an, ob Mario Irminger es rüberbringt, auch ein Sympathieträger zu sein.
Andreas Güntert: Also Uli, da bin ich jetzt ein bisschen skeptischer. Ich glaube, die Migros muss aufpassen, dass sie nicht zu viele Baustellen offen hat und dass sie ihre eigenen Leute überhaupt noch mitnehmen und motivieren kann. Und auch, dass sie ihren guten Ruf und die immer hohe sozial-moralische Wertschätzung behalten kann. Also ich sehe das als Risiko. Ich muss aber auch sagen, der ganze Umbau, da ist vieles drin, was Sinn macht. Zum Beispiel will die Migros wieder vermehrt ihre Eigenmarken in die Supermärkte bringen. Das finde ich richtig, weil es das Profil schärft. Das ist ja eine der Einzigartigkeiten der Migros, die eigene Industrie. Kommen wir noch dazu später. Und wenn wir von Läden gesprochen haben, sie wollen 140 neue, kleinere Läden öffnen in den nächsten fünf Jahren. Ich glaube, so kommt sie näher zum Publikum. Für mich war einfach der grösste Hammer, ich weiss noch wie er niedergesaust ist am 2. Februar dieses Jahres, mein Geburtstag übrigens. Also wie ich da erfahren habe, dass die Migros ihre Reisetochter Hotelplan Group verkaufen will, das fand ich schon einen argen Hammer.
Tim Höfinghoff: Ja gut, man muss jetzt noch sagen, Du bist natürlich auch schon seit 50 Jahren Reisejournalist. Das hat dich wahrscheinlich auch noch mal ganz anders getroffen. Aber wir wollen jetzt keine Witze darüber machen.
Andreas Güntert: Es ist nicht das, Tim. Es hat überhaupt nichts mit mir zu tun, sondern es hat mit etwas zu tun, was viele Jahre irgendwie das ungeschriebene Gesetz war bei den Migros. Das Unternehmen hat im Laufe der Jahre viel neu gekauft und wieder verkauft. Das klingt jetzt wie ein enttäuschtes Migros-Kind. Vielleicht lösen wir zum Schluss noch auf, Uli, wer ist was für ein Kind. Können wir gerne machen. Aber die Regel war eigentlich die ungeschriebene, die Migros kauft und verkauft, haben wir bei Globus gesehen, beim Glattzentrum usw. Aber es war eigentlich so, das ungeschriebene Gesetz, dass Dinge, die noch auf den Gründer direkt zurückzuführen sind, auf Dutti Duttweiler, das hat man eigentlich in der Regel nicht angefasst. Und Hotelplan ist natürlich wirklich etwas, was auf Dutti zurückgeht. Der hat das Unternehmen 1935 gegründet. Das ist
Tim Höfinghoff: auch schon wieder jetzt, ja.
Andreas Güntert: Fast 100 Jahre her. Ja, 90 Jahre. Als ich das zum ersten Mal hörte, merkte ich, wenn sie das verkaufen wollen, ist nichts mehr heilig. Zunächst konnte ich diesen Tabubruch nicht verstehen. Irgendwann kam ich aber zur Einsicht, man müsse den Dutygeist nicht ständig beschwören, weil es bald 2025 ist und nicht mehr 1925. Und wenn jetzt so viel abgebaut wird, wäre das Reisebusiness wirklich noch der totale Exot im orangen Umzug. Ich bin der Auffassung gelangt, dass es für «Hotelplan» möglicherweise besser ist, einen neuen Besitzer zu erhalten, der ein «Pure Player» im Reisebereich ist und so das Business besser versteht. Wenn es dann wirklich ein guter neuer Besitzer wird. Und wie geht es dann weiter? Gut, dann schafft es die Migros-Gruppe, wieder viele Menschen von der Payroll zu bekommen, kann sich besser auf ihr Geschäft konzentrieren und wie gesagt, dann hoffe ich einfach, dass man eine gute Käuferin gefunden hat, die Hotelplan gut im Markt behält. Weiss man jetzt noch nicht, das soll vielleicht sogar noch dieses Jahr passieren, der Verkauf. Mal schauen.
Ulrich Rotzinger: Da kommt natürlich wieder der Mario Irminger ins Spiel. Wir haben vor kurz über ihn gesprochen. Er hat ewig bei Denner superflott gemacht, zum Gewinnbringer der Migros. Zuletzt eine Filialauffrischung angestoßen. Also man kann wieder gern zu Denner gehen in die neuen Läden. Der Irminger ist ein Zahlenmensch, der schaut ganz genau drauf, was läuft, was nicht läuft. Das muss man beim Discounter. Und das macht er jetzt auch als Migros-Chef. Aber er hat den Vorteil, dass er schon lange bei der Migros ist und auch diese Migros-DNA, diese kulturellen und sozialen Verpflichtungen in sich hat. Und natürlich, er hat das super Netzwerk jetzt innerhalb der Migros aufgebaut, schon als Denner-Chef. Und dann war es für mich eigentlich klar, dass er nur Migros-Chef werden konnte. Und jetzt im selben Stil, versucht, die Migros wieder flott zu machen.
Tim Höfinghoff: Wird das gelingen, Andreas? Wie siehst du
Andreas Güntert: das? Ich glaube, er ist auf einem guten Weg. Eine Migros nur über Zahlen zu führen, denke ich, das geht ein oder zwei Umbaujahre gut. Aber du darfst nicht vergessen, du hast es da mit einem ganz speziellen Pflänzchen zu tun. Also, ich würde mal sagen, abbauen, okay, streamlinen, okay, aber nicht vergessen, dass die Migros etwas sehr Spezielles ist.
Tim Höfinghoff: Ja, alles sehr spannend. Aber was hier immer so ein wenig in der Luft herumschwebt, ist ein Thema, die Migros seien nicht mehr so erfolgreich wie früher, eher träger als fit. Kürzlich habe ich ein Interview mit Migros-Präsidentin Ursula Noldt gelesen. Sie sagt selbst, wir waren zu langsam. Also jetzt übt sich die Migros wieder öfter in Selbstkritik öffentlich. Was lief da konkret
Andreas Güntert: schief? Ich glaube, sie waren zu erfolgreich und haben dazu abgeschlafft. Tim, du hast vorher noch etwas Spannendes gesagt, wie Aldi und Lidl in die Schweiz kamen. Bei Aldi war es 2005, bei Lidl 2009. Da fragte man sich am Anfang, ob sich die Schweizer da überhaupt reintrauen. Diese beiden Discounter waren richtig gute Immigranten, die haben sich total an die Schweiz angepasst. Diese Läden kannst du nicht vergleichen mit dem, was du in Castrop-Rauxel siehst oder in Flensburg oben. Das sehe
Ulrich Rotzinger: ich ganz klar auch so. Wenn man im Ausland bei den Discountern eingekauft hat, hat man palettenweise, stapelweise Kartons, aufgerissene Tüten und alles gesehen. Dieses Schmuddel-Image hat man in der Schweiz eigentlich nie gehabt. Ausserdem haben sie, Andreas schon sagt, er hat zugelernt. Die haben Schweizer Lieferanten ins Boot geholt, machen, glaube ich, die Hälfte vom Umsatz mit Schweizer Produkten, Schweizer Lieferanten. Und Hard-Discounter sind die in der Schweiz nicht. Ich würde eher Soft-Discounter oder normale Discounter sagen.
Andreas Güntert: Also die machen es richtig gut und haben der Migros über die letzten Jahre Marktanteile weggenommen. Jetzt musst du dir mal das geben, die Schweiz ist ein Land mit einer extrem hohen Zuwanderung. Da kommen ja jedes Jahr zigtausende neue Leute in die Schweiz und die Migros hat es nicht geschafft. da viele neue Migros-Kinder ranzuziehen, sondern es ist den anderen viel besser gelungen, sich da neue Kundinnen und Kunden zu schaffen. Ist einfach so.
Tim Höfinghoff: Und jetzt mit den Preissenkungen, jetzt gab es riesen Theater auch wegen dieser Senioren-Rabatte kürzlich, Uli, aber die Migros ist jetzt nach vorne geprescht und hat gesagt, wir machen jetzt massive Preissenkungen in den Bereichen. Wird das jetzt reichen, um die Kundschaft zurückzugewinnen?
Ulrich Rotzinger: Ich denke nicht, dass es allein über den Preis geht. Man muss auch sehen, 1.000 Produkte, wo die Migros als Tiefpreis angekündigt hat, bei einem Sortiment von durchschnittlich 25.000. Also
Tim Höfinghoff: 1.000 von
Ulrich Rotzinger: 25.000. Dann muss man das schon ein bisschen einordnen. Aber der Preis allein ist nicht das Entscheidende. Marktanteile zurückholen von IDLE, Lidl oder auch Coop, das muss über die Qualität von den Produkten passieren. Und die Qualität, das hat der Irminger auch attestiert in der Öffentlichkeit, die ist nicht da, wo sie sein sollte. Er ist unzufrieden mit den Produkten. Das sagt er selber so. Das bin ich, der das sieht. Und wie heißt das Sprichwort so schön? Liebe geht durch den Magen. Was schmeckt? Und wenn es schmeckt, dann kommen die Kunden wieder zurück und dann kann Migros die zurückholen.
Tim Höfinghoff: Was schadet denn jetzt der Migros oder dem Coop und allen anderen auch und ihren Umsätzen jetzt stärker? Ist es jetzt dieser Einkaufstourismus? Also der hat jetzt wieder ein bisschen nachgelassen. Oder sind es die Discounter wie Aldi Suisse oder Lidl Schweiz? Uli, was meinst du?
Ulrich Rotzinger: Ich sage mal, Aldi und Lidl zusammen, das ist eine Schätzung, die behalten ihre Zahlen unter den Deckeln, machen 5 bis 7 Milliarden Jahresumsatz, beide zusammen. Der Einkaufstourismus in der Schweiz wird im Ausland von der Schweiz aus, inklusive Non-Food-Artikel, also nicht Lebensmittel, wird auf 10 bis 12 Milliarden Franken jährlich geschätzt. Trotzdem würde ich meinen, und ich bin gespannt, was Andreas dazu sagt, die Deutschen Discounter schmerzen die Migros mehr. Zumindest zwingen sie den Orangenriesen aus der Komfortzone raus.
Andreas Güntert: Ja, das glaube ich unbedingt. Ich muss auch sagen, ich habe noch selten ein Unternehmen gesehen, das sich so sehr in Selbstkritik übt. Da höre ich immer, wir waren zu langsam, sind nicht mehr gut genug, vielleicht waren wir zu teuer. Unglaublich. Den Einkaufstourismus kannst du nicht wegpusten. Die Gesetzgeber in Bern setzen ab 2025 diese Freigrenze runter. Ich persönlich finde es den richtigen Schritt, Ich glaube aber nicht, dass das ein Game-Changer ist. Wo sich die Migros wirklich warm anziehen muss, und Coop übrigens auch, das ist im Inland, was da die Konkurrenz macht. Das ist sicher der härtere Brucken.
Tim Höfinghoff: Jetzt habe ich noch eine Verständnisfrage. Ihr redet von Supermärkten, von Discountern, von Hard-Discountern. Ich komme da jetzt nicht mehr mit. Was ist eigentlich der grosse Unterschied? Für mich sind das alles
Andreas Güntert: Detailler und Supermärkte. Du hast recht, es sind beides mal Läden. Du gehst rein, holst was, zahlst das am Schluss wieder. Das stimmt. Trotzdem gibt es einen grossen Unterschied. Uli hat vorhin noch erzählt, von den Hard-Discountern in Deutschland, wo alles quasi aus dem Karton rausquillt. Das ist so eine Art, einen Discounter zu sehen, aber wir haben auch gesagt, in der Schweiz kommen die viel schöner daher mittlerweile. Der ganz grosse und wesentliche Unterschied zwischen Supermarkt und Discounter ist natürlich die Grösse des Sortiments. Uli hat es schon gesagt, in einem ausgebauten Mikrosupermarkt kannst du bis zu 25'000 Artikel finden. In einem Discounter wie z.B. Aldi Suisse sind es 1'800 Artikel. Also sehr viel
Tim Höfinghoff: weniger. Wie geht das dann? Wie geht die Rechnung auf? Mehr Produkte, gleich mehr Umsatz, mehr Gewinn?
Andreas Güntert: Das ist eine klassische Ansicht im Wirtschaftsleben. Mehr ist mehr und mehr ist besser. So einfach ist es aber nicht. Es ist eher das Gegenteil wahr. Wenn du fette Gewinne machen willst, arbeitest du besser mit Kleinsortimenten.
Tim Höfinghoff: Das heisst, man hat dann weniger Waren im Sortiment?
Andreas Güntert: Ich erkläre es dir. Tim, magst du Marmelade?
Tim Höfinghoff: Ja,
Andreas Güntert: logisch. Wie viele Marmeladensorten kaufst du regelmässig ein? Sind das eher 35 oder eher 5 Marmeladensorten? So gross ist meine Familie nicht. Ich kaufe ein oder zwei. Gut, okay. Also Discounter wie Aldi und Lidl achten darauf, schmale Sortimente anzubieten. Nicht mehr so krass klein wie früher, aber immer noch viel kleiner als Supermärkte. Also als Discounter bietest du vielleicht nur fünf Konfitüren an. Und dann brauchst du natürlich viel weniger Lagerfläche, du hast weniger Aufwand in der Logistik und du kannst dich auf die Schnelldreher, auf die umsatzstärksten Produkte konzentrieren. Du brauchst weniger Einkäufer und du kommst mit weniger Artikeln auf grössere Mengen und so wirst du profitabler sein als ein Supermarkt, der 35 Sorten Konfitüre anbietet.
Ulrich Rotzinger: Vielleicht musst du noch sagen, dass die Discounter natürlich Aldi und Lidl von ihrem grossen Konzern profitieren, von ihrer Einkaufsmacht, die sie per se haben. Wenn sie auch mal eine mexikanische Woche machen, wenn sie eine ungarische Woche machen, dann wird das über Konzernstrukturen easy importiert, wo andere Detailhändler dann Schwierigkeiten haben an die Produkte ranzukommen. Und sie sind wirklich, sie sparen auch im Hintergrund bei der Beschaffung und so weiter. Das ist in der DNA von den Discountern drin.
Tim Höfinghoff: Und die sind natürlich legendär dafür, dass diese Themen Wochen haben und plötzlich Rasentrimmer verkaufen oder Computer oder was auch immer. Plötzlich haben sie ganz kurzfristig ganz viele Produkte im Angebot, die ich in der Migros nicht so
Andreas Güntert: sehen würde. Das ist eine Europaflut, wenn wir wieder bei der Marmelade bleiben. Das läuft dann irgendwie von Polen bis Portugal und bis nach Sizilien runter. Das sind unglaubliche Mengen und sie können da supergute Preise machen. Jetzt weiss ich, was du als nächstes fragst, Tim. Wenn es sich also nicht so sehr lohnt, 35 Marmeladenmarken anzubieten, warum macht es denn ein Migros und ein Coop? Und das ist eben das Geschäft der Supermärkte. Die grosse Vielfalt, das inspirierende Warentheater, die Fülle, die Auswahl. Das reicht dann bei Migros von der günstigsten M-Budget-Himbo-Kombi. Das sind dann die Eigenmarken. Ja, aber das reicht von zu unterst M-Budget Himbo Comfy bis hoch zur M-Selection Pfirsich Maracuja. Wenn der Supermarkt das schön macht, die ganze Spannbreite anbietet, kann er sicherstellen, dass die Kunden alles finden, was sie wollen, und so den ganzen Einkauf an einem Ort machen. Das ist ein bisschen Supermarkt versus Discount.
Speaker 05: Diese Folge wird von Schroders Schweiz unterstützt. Wie Schroders Nachhaltigkeit in seinem Investmentprozess integriert und fortschritten ist, erfahren Sie unter schroders.ch
Tim Höfinghoff: Wenn wir schon darüber sprechen, für wen es dann am Ende Platz hat, Discounter oder Supermärkte, Uli, vielleicht auch dich an dich die Frage, also diese klassischen kleinen, inhabergeführten Supermärkte, die können sich wahrscheinlich gar nicht mehr halten in diesen Märkten oder vielleicht nur noch super spezialisiert, dass sie bestimmte Produkte anbieten, aber am Ende ist der Markt dann aufgeteilt für die Großen.
Ulrich Rotzinger: Ja, das ist natürlich schon so. Ich meine, Migros und Co. zusammen, sagt man, beherrschen 80 Prozent vom Markt. Und das ist eine Macht. Aber ich bin gern im Quartier. Ich habe gern, in Anführungszeichen, das Türke-Lädeli neben dran, wo ich auch abends nach 20 Uhr noch was einkaufen kann. Das ist der Vorteil von den Quartierläden oder den familiengeführten, kleineren Läden. Die können ein bisschen mit den Öffnungszeiten spielen. Das kommt mir dann wieder entgegen. Ich habe ein bisschen gerne den Quartierscham. Ich möchte meine Leute kennen. Vielleicht sehe ich das nicht ganz so schwarz. Und
Andreas Güntert: dann ist es ja noch so, wenn du nach Deutschland gehst, also ins Mutterland des europäischen Discount-Motors, dann siehst du, auch da gibt es noch Supermärkte. Eine Rewe, eine Edeka, die machen richtig schönes Supermarktgeschäft und die stehen gut da. Du musst dir einfach gut überlegen, wie du dagegenhalten willst gegen die Discount-Maschinen. Und der Preis, da bin ich beim Uli, das ist ein Faktor. Es kann aber für den Supermarkt nicht der einzige Faktor sein. Aber natürlich, der Preis muss stimmen. Das siehst du auch in Jahren, wo es schwierig wird. Wir hatten in den letzten Jahren Inflation, Die Leute zittern ein bisschen, Krankenkassen werden teurer. Solche Jahre sind meistens gute Discounterjahre. Aber es kann auch wieder wechseln. Und vielleicht noch etwas Letztes zum Thema Supermarkt und Discounter. Natürlich, die Migros ist heute der klassische Supermarkt. Aber zu Beginn war sie das nicht. Im August 1925 startete Gottlieb Dudweiler. Und jetzt rate mal Tim, wie gross das Sortiment damals war von der superjungen Migros.
Tim Höfinghoff: Ich habe keine Ahnung. Was hast du jetzt gesagt? Was haben die, 25'000 Produkte?
Andreas Güntert: Genau, der Discounter vielleicht etwa 1'800. Wie denkst du, hat die Migros begonnen damals im August 1925? Ich wüsste
Tim Höfinghoff: es auch nicht. Ich würde mal sagen, keine Ahnung, vielleicht 1'200 oder
Andreas Güntert: 1'000. Es waren schon ein bisschen wenig. Es waren, ehrlich gesagt, sechs Produkte. Kaffee, Seife, Reis, Kokosfett, Zucker und Teigwaren. Aus der heutigen Worte würde man sagen... Das ist ein Mini-Anbieter. Das und Tutti war härter als der härteste Harddiscounter. Aus dieser Zeit stammt eine weitere Besonderheit der Migros. Damals wollten die mächtigen Markenartikler den Dutti nicht beliefern. Deshalb baute er eine eigene Industrie auf und etablierte damit Eigenmarken, die heute noch vielen Schweizer sehr vertraut sind. Zum Beispiel der Kult-Eistee von der Bina in Bischofszell, das Handyspülmittel von der Mibel in Fränkendorf oder das Seehundglasse von der Midor in Meilen. Übertreibe ich, wenn ich sage, das sind Ikonen? Er kennt die Migros in- und auswendig. Er kennt die Migros in- und
Ulrich Rotzinger: auswendig, aber das sind Ikonen. Selbst meine Kinder kennen diese Ikonen. Das sagt schon viel, würde ich
Andreas Güntert: sagen. Man fragt manchmal auch, warum diese Faszination für die Migros? Warum haben wir so viel mehr Schlagzeilen zur Migros und weniger Ich glaube einfach, in der Migros steckt irre viel Schweiz drin. Das siehst du nur schon am Föderalismus und an der Autonomie im Geschäftsleben. Die Schweiz ist in 26 Kantone aufgeteilt. Viel kantonlicher Geist. Jeder denkt, er wisse selber, wie man es richtig macht. So ist die Migros in zehn Genossenschaften. Aber
Tim Höfinghoff: auch nicht zum Vorteil der Migros, oder?
Andreas Güntert: In der Migros sind es zehn Genossenschaften und die können vieles für sich entscheiden. Ich glaube, das mag oft hinderlich sein, aber es ist Teil der Migros-DNA. Ich glaube nicht, dass wir es noch erleben werden, dass aus zehn Migros-Genossenschaften eine wird, so wie das bei Coop passiert wird. Oder schaut ihr an, die Alkoholabstimmung. 2022 konnte man in der Schweiz darüber abstimmen, ob es in den Migros-Supermärkten Alkohol geben soll oder nicht. Das gibt es doch sonst nirgends.
Tim Höfinghoff: Ja, nochmal zurück zur Debatte, wie groß der Konzern ist. Glaubst du, dass die sich vereinheitlichen oder eine ähnliche Struktur machen, dass sie kleiner werden oder wird dieses System beibehalten werden? Es gibt ja viel Kritik an dem Problem.
Ulrich Rotzinger: Nein, nein, die Kritik ist da, aber das glaube ich eher, ich bin der Meinung von Andreas eher, eventuell sehen wir, dass sich in regionale Genossenschaften vielleicht zusammenfügen, mehr in der Westschweiz vielleicht eine große, dass es da ein bisschen weniger werden als die zehn. Aber diese regionale Aufteilung, das gehört zur Migros-DNA.
Tim Höfinghoff: Jetzt haben wir gerade darüber gesprochen, dass das die Menschen viel bewegt. Klar, es ist ein Lovebrand, hast du gesagt, Uli. Wir reden ja nicht ohne Grund viel über die Migros. Es bewegt die Leute immer noch
Andreas Güntert: stark. Ich finde, als Journalisten spüren wir tagtäglich, wie die Migros unsere Leserinnen und Leser bewegt. Man hat das gerade wieder gesehen, als die Migros-Ahre bekannt gab, die Senioren-Rabatttage ab 25 zu streichen. Ich weiss nicht, Uli, viele Reaktionen, denke ich mal.
Ulrich Rotzinger: Ja, also die Community, da gab es zum Teil einen Aufschrei, zum Teil sieht man das auch ein, aber das war an dem Tag, wo es bekannt wurde, einer der bestlaufendsten Artikel auf der Website Blick.ch. Also das sagt schon viel.
Andreas Güntert: Es ist ja nicht so, dass es keine anderen Schweizer Ikonen und Lovebrands gibt. Denk an die SBB oder an die Airline Swiss, die sorgen auch für viele Emotionen. Aber am Schluss habe ich das Gefühl, am stärksten in der Schweiz ist diese Migros unter dem Brennglas oder unter dem Vergrösserungsglas der Gesellschaft. Und das hat auch damit zu tun, weil die Migros selber mit sehr hohem Anspruch an sich selber unterwegs sind. Ich würde mal sagen, sie sagen fair mit allen Lieferanten und den Mitarbeitenden, Die Migros will eben nicht die Fratze des Kapitalismus sein, sondern sie will der Gutmensch des Kapitalismus sein, das soziale Kapital, hat man früher gesagt. Wer so antritt, der legt natürlich die Latte hoch und das generiert fast schon eine Anfangsempörung in der Schweiz von vielen Leuten. Der Standard-Satz ist natürlich immer, der Duttweiler würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass «Hotelplan» verkauft wird. Und so und so und so.
Tim Höfinghoff: Lassen
Ulrich Rotzinger: wir
Tim Höfinghoff: den Dutti doch im Grab. Ich würde sagen. Jetzt noch zum Schluss. Also, das Migros-Kind, das haben wir jetzt mehrfach schon erwähnt. Spielt das eigentlich noch eine Rolle, ob man da jetzt als Youngster bei Coop oder bei Migros einkaufen gegangen ist oder ein Aldi-Kind oder ein Lidl-Kind? Ist doch eigentlich vorbei, oder Uli?
Ulrich Rotzinger: Also mir persönlich spielt das absolut keine Rolle. Ich bin schon Ewigkeiten in der Schweiz, aber ich gehöre jetzt eigentlich, kann man schon sagen, zur Boomer-Generation. Trotzdem würde ich sagen, die Teenager auch, meine Kinder jetzt, die einkaufen gehen, die gehen in einen Laden rein, der entweder nahegelegen ist oder dort irgendwelche Produkte erhältlich sind, die irgendein YouTuber gerade anpreist. Ob das die Migros ist, Coop, Spar oder Aldi, das macht keinen Unterschied. Einfach das Produkt muss da sein, wo angesagt ist. Wer darauf reagiert, der ist dann der Held.
Tim Höfinghoff: Und, Andreas,
Andreas Güntert: du? Uli hat ja vorhin noch das schöne Wort von der Marketingtrompete gebracht. Wenn wir dann ins 100. Jahr gehen, der Migros im Jahr 2025, werden wir bestimmt noch mal viel von den Migros-Kindern hören. Das wird sicher beschworen. Ich glaube, das ist nicht ganz weg, ist immer noch eine schöne Sache, ist auch gut für die Abgrenzung zwischen den zwei Supermarktgiganten. Aber bei den jüngeren Leuten, da bin ich bei dir, Uli, zieht das nicht mehr so stark. Da ist es wichtiger, dass am richtigen Ort der richtige Laden steht. Dann ein kleiner Laden, wenn es schnell gehen muss, ein Red Bull, Schokolade und einen Eisbergsalat von mir aus. Oder der grosse Laden, wenn man ins schön präsentierte Warentheater eintauchen will, so diesen Wocheneinkauf macht, wenn es den noch gibt. Ich glaube, den gibt es immer noch, der wird so ein bisschen totgesagt. Weisst du, die Leute, die am Samstag mit der Einkaufsliste kommen, die eineinhalb Meter lang ist, das wird totgesagt, das gehe alles ins Online. Ich sehe das immer noch, das ist nicht ganz tot. Also Migros-Kind, Coop-Kind, gibt es noch. Aber es ist nicht mehr eine Verletzung einer gewissen Religion, wenn du mal Stadt, Migros oder Coburg gehst. Das ist over.
Tim Höfinghoff: Andreas, Ulli, danke euch für eure Insights. Habt viel gelernt über den Markt der Supermärkte, Hard-Discounter, Detailhandel. War spannend. Wenn ihr Fragen oder Themen für unseren Podcast habt, dann schreibt uns doch an podcast.handelzeitung.ch. Wir freuen uns über eure Rückmeldung und noch mehr freuen wir uns, wenn ihr uns abonniert bei Spotify, bei Apple oder wo auch immer ihr uns zuhört. Danke und bis zum nächsten Mal. Ciao. Tschüss Tim. Ciao Tim.
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